Die Zeit hier Eine Kolumne von Petra Pinzler
Fünf vor acht
Wenn in so einem Moment dann auch noch über Nacht ein Fördertopf der Bundesregierung geschlossen wird – wie am vergangenen Wochenende die Neubauförderung für Effizienzhäuser – dann stöhnen natürlich erst mal viele Leute. Nur stöhnen sie zu Recht?
Oder plakativer formuliert: Sollte es ein Bürgerrecht auf das staatlich geförderte Einfamilienökohaus geben?
Schon im vergangenen Jahr gab es einmal eine ähnliche Debatte, sie kam kurz auf, als Hamburg in einem Baugebiet keine frei stehenden Einfamilienhäuser mehr genehmigte, weil die unverhältnismäßig viel des knappen Bodens verbrauchen. Die Empörung des Boulevards schwappte hoch. Und der ehemalige Hamburger Bürgermeister und jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte im Wahlkampf dann mit einem klassischen sozialdemokratischen Reflex. Seine Antwort auf den Wunsch vieler Deutscher nach mehr Wohnraum lautet: bauen! Von Öko war da keine Rede mehr, auch nicht davon, dass der Boden in den Ballungsgebieten längst knapp ist. Seine Botschaft lautete: 400.000 neue Wohneinheiten im Jahr. Er gewann bekanntlich die Wahl und nun muss die neue Bauministerin Klara Geywitz sein Versprechen umsetzen.
In ihren ersten öffentlichen Stellungnahmen und Interviews gab sich Geywitz tatsächlich als treue Genossin dieses Kanzlers. Schnell und viel mehr bauen war auch ihre Devise. Doch inzwischen scheint sich in dem neu entstehenden Bauministerium herumzusprechen, dass mehr allein nicht die Lösung des Problems sein kann.
Warum, kann man mit dem sogenannten Braess-Paradoxon erklären. Das hat der Mathematiker Dietrich Braess in den Sechzigerjahren am Beispiel der Verkehrspolitik entwickelt und es besagt: Eine neue Straße sorgt für mehr Verkehr. Klingt verrückt, konnte aber in der Wirklichkeit vielfach bewiesen werden. Überträgt man Braess auf den Wohnungsbau, so bedeutet das: Baut man einfach nur immer mehr, kann das für mehr Wohnungssuchende sorgen. Auch das erscheint auf den ersten Blick paradox. Doch in den vergangenen Jahren konnte man tatsächlich beobachten: Obwohl immer mehr gebaut wurde, stieg zugleich die Wohnungsnot – an den stetig steigenden Mieten und Kaufpreisen lässt sich das ziemlich einfach ablesen.
Je reicher, desto größer das Wohnzimmer
Zu tun hatte das zum einen mit der Attraktivität der Ballungsgebiete und der Städte, in die immer mehr Menschen ziehen oder ziehen wollen. Dort reichen die vorhandenen Angebote einfach nicht aus und der Zubau geht nicht schnell genug. Zum Zweiten aber wohnen Menschen hierzulande – rein statistisch gesehen – in immer größeren Wohnungen oder Häusern. Das tun allerdings nicht alle. Vor allem Menschen mit Geld können sich immer mehr Quadratmeter leisten. Und so kommt es zu dem Paradox, dass zwar im Durchschnitt mehr Wohnraum da ist und er trotzdem fehlt.....
Die Vorgängerregierung von Union und SPD hat versucht, das mit dem Prinzip Gießkanne zu befrieden. Der ehemalige Bauminister Horst Seehofer hat viele Milliarden Euro für das Baukindergeld ausgegeben und so den Neubau auf der grünen Wiese und die damit verbundene Zerstörung der Natur gefördert. Und damit die Häuser wenigstens nicht auch noch klimaschädlich gebaut wurden, hat der frühere Wirtschaftsminister Peter Altmaier schöne Ökobauförderprogramme aufgelegt – statt die Effizienzregeln strenger zu machen. Letzteres wäre für den Staat und die Allgemeinheit billiger gewesen und auch fairer für alle, die sich kein Ökohaus leisten können. Denn die haben das ja über ihre Steuer mitfinanziert. Weil diese teure Veranstaltung nun völlig aus dem Ruder zu laufen schien, wurde sie am vergangenen Wochenende von der KfW, die das Programm verwaltet, gestoppt. Das zuständige Wirtschaftsministerium will bis zum Sommer die Förderpolitik überprüfen.
Nun ist das Geschrei groß. Dabei ist das Beste, was die Ampel in dieser Situation tun kann, tatsächlich, einmal die komplette Förderung des Bauens neu zu ordnen. Und zwar gemeinsam, also zugleich im Bau und im Wirtschaftsministerium. Das Umweltministerium sollte beratend auch dabei sein. Dann käme nämlich auch auf den Tisch, dass immer mehr Neubau und damit Flächenversiegelung dazu führen werden, dass Deutschland nicht nur die Klimaziele verfehlt, sondern auch das Artensterben weiter anheizt.
Den begrenzten Platz gerecht verteilen
Denn eines kann eben auch eine noch so gutwillige Bundesregierung nicht: die Gesetze der Natur außer Kraft setzen. Und die lauten: Boden ist eine begrenzte Ressource. Platz lässt sich nicht beliebig vergrößern. Wer also weder Städte voller Hochhäuser noch immer mehr zugebaute Landschaften will, wird irgendwann auch über die faire Verteilung von Wohnraum reden müssen. Oder anders formuliert: Es sollte bei einer klugen menschen- und umweltfreundlichen Baupolitik also künftig darum gehen, den begrenzten Platz gerecht zu verteilen.
Das bedeutet, dass an Orten mit besonders viel Nachfrage tatsächlich eher Mehrfamilienhäuser als Einfamilienhäuser gebaut werden. Es kann bedeuten, dass an manchen grünen Orten vielleicht auch mal nicht gebaut wird. Dass statt der Grünfläche mancher Parkplatz einem Wohnhaus weichen muss. Und wer eine neue Baupolitik so richtig modern gestalten will, sorgt auch dafür, dass sich Häuser und Wohnungen endlich den modernen flexiblen Anforderungen moderner Menschen anpassen. Dass Wohnungen größer werden können, wenn die Familien wachsen, und kleiner werden, wenn die Kinder ausziehen. Dass in einer Gesellschaft, in der immer mehr allein lebende Menschen einsam sind, kleine Wohnungen anders geplant und größere Begegnungsräume gleich mitentstehen.
Der Traum vom frei stehenden Einfamilienhaus hat nämlich auch ein wenig mit der Fantasielosigkeit der Architektinnen, Stadtplaner und Baupolitik zu tun. Viel zu selten wurde bisher Menschen etwas anderes, ungewohnt Schönes zum Wohnen geboten. Wer sagt, dass in Zeiten des urban gardening jeder seinen eigenen Garten haben will – und nicht viel lieber eine grüne Ecke, in der mit anderen Tomaten gepflanzt werden können.
Bleibt noch die Frage des Geldes und der Subventionen. So manches wird die Regierung schlicht durch strengere Auflagen regeln müssen statt durch immer neue Fördertöpfe. Wer sich künftig noch ein Haus leisten kann, kann dazu verpflichtet werden, auch gleich die Solarpanels obendrauf zu installieren (weil das beim Neubau vergleichsweise billig, später aber wegen der Gerüstkosten teuer ist). Wer eine Wohnung baut, wird effizienter und umweltfreundlicher bauen müssen als noch vor 20 Jahren – einfach weil es heute geht. Das alles lässt sich einfach über Ordnungsrecht regeln und muss nicht mehr wie in der Vergangenheit von der Mehrheit der Menschen subventioniert werden. Staatliche Töpfe sollten sich auf wirklich innovative Projekte beschränken und vor allem denen vorbehalten bleiben, die sich sonst das Wohnen nicht mehr leisten können.
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