Freitag, 4. März 2022

"Dilemma bei Vergabe von Grundstücken"

Es war schon ein aussergewöhnlicher Vorgang, dass der der Bürgermeister plötzlich 2 Grundstücksanwärter in der Sitzung nach vorne rief. Durch die fehlende Vorankündigung setzte er die Gemeinderäte unter Druck. So kam ein wenig hilfreicher und sehr persönlicher Zug ins Spiel, der  auch noch tendentiös ausgespielt wurde. Fairer wäre eine vorherige Absprache mit dem Gemeinderat gewesen.

 

In der Salemer Hauptsatzung ist festgeschrieben, dass die "Zuziehung Sachkundiger Einwohner oder Sachverständiger zu Beratungen" vom Gemeinderat auf den Bürgermeister übertragen wurde.

Es ist allerdings fraglich, ob die Konsequenzen allen Gemeinderäten beim Beschluss bewußt waren? Was passiert denn nun, wenn die Gemeinderäte jemanden anhören wollen, der dem Bürgermeister nicht genehm ist?  Wird derjenige dann trotzdem in der Sitzung nach vorne gerufen?

 

Auch darf man bezweifeln dass  "Anwärter auf ein Grundstück" als Sachkundige Einwohner nach § 33 GemO zu bewerten sind.

In der gängigen Kommentierung von Kunze/Bronner/Katz GemO zu § 36 Randziffer 5 u.a. (hier geht es um die Verhandlungsleitung u. den Geschäftsgang der Ratssitzung) heißt es:

"Zuhörern kann grundsätzlich das Wort nicht erteilt werden, es sei denn, der Gemeinderat hat im Rahmen des § 33 (4) u. der Geschäftsordnung eine Fragestunde anberaumt."
Eine offizielle FRAGESTUNDE war aber nicht anberaumt.


Daher hat die Frage von P. Herter eine ganz besondere Brisanz: wie soll das so begonnene, undurchsichtige Spiel jetzt weiter gehen?


Auch darf man den Kommentar des Bürgermeisters "Es sei sicher keine kommunalpolitische Aufgabe, Vorgaben zu machen, wie groß ein Unternehmer sein dürfe" sehr wohl hinterfragen.
Wer die Flächendiskussionen im Kreis verfolgt, der muss wissen  wie knapp Bauflächen sind.
Und der muss auch wissen, welch intensive Diskussionen um den Flächenfraß stattfinden, landauf wie landab. Seit vielen Jahren ist die Beschränkung des Flächenfraßes eine Vorgabe des Landes (auch schon zu CDU-Zeiten war das ein Thema) , die aber von den einzelnen Kommunen (Kreisen, Regionalverbänden...) aus Eigeninteresse immer wieder ausgehebelt wird.
(Auf der Seite des Aktionsbündnis Grünzug Salem hier gibt
es einen sehenswerten Film dazu)


Solche Diskussionen in Salem einfach abzuwürgen, indem der Vorsitzende  Beiträge anders denkender Gemeinderäte nicht mehr zulässt, aber sich dann selbst das Recht nimmt, ausführlich über seine Sicht zu reden - das hat ein ziemliches Nach-Gschmäckle.

Denn natürlich geht es auch darum: wenn man einem Anwärter das gesamte Rest-Grundstück zuspricht, dann geht ein Anderer dafür leer aus. Besser wäre es doch, sich sinnvoll zu beschränken?

Die Zeiten haben sich drastisch verändert, schon heute gelten ganz andere Dinge als vor 10 Jahren und um uns herum bewegt es sich immer schneller  - heute gilt es, durch Beschränkung unserer Lebensweise, Verantwortung für die nächsten Generationen zu übernehmen, die massiv unter der Klimakrise leiden werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht so bestätigt und das sollte auch für uns gesetzt sein.

(Auch dazu gibt es lesenswerte Artikel auf der Seite des ABÜ  hier

 

Und deshalb suchen wir nach neuen Wegen, um Entwicklung weiterhin möglich zu machen, auch wenn die Flächen knapp werden. Wir müssen diese Diskussion dringend führen, auch wenn sich manch einer in Verkennung unserer aktuellen Situation immer noch dagegen stemmt - ein "Weiter so wie bisher" ist keine Option mehr. 


Doch zurück zur konkreten Vergabe: Beide Flächen wurden vergeben

 



 

01.03.2022  |  VON MIRIAM ALTMANN UEBERLINGEN.REDAKTION@SUEDKURIER.DE  hier

Es läuft gut am neuen Standort im Gewerbegebiet von Neufrach: Das vermittelte die Firma Fruit Tec in ihrem Antrag an die Gemeinde, noch einen Streifen an der Ostseite ihres Grundstücks mit einer Breite von etwa sieben bis neun Metern kaufen zu wollen. Andre von Holten vom Amt für Bauverwaltung sagte in der Gemeinderatssitzung, die Firma brauche den Streifen für weitere Stellplätze, da die Zahl der Mitarbeiter gestiegen sei und die Firma weitere Arbeitsplätze schaffen wolle.

Den Bedarf nach weiteren Parkplätzen sah Martin Möller (GoL) kritisch: „Die Notwendigkeit erschließt sich mir aus dem Vortrag nicht.“ Auch Henriette Fiedler (FWV) war der Ansicht, dass die Fläche eingespart werden könne: „Man könnte an der hinteren Gebäudewand parken oder das großzügig bepflanzte Grundstück ausnutzen.“ ...

Zur Überraschung des Gremiums bat Bürgermeister Manfred Härle Adolf Betz als Antragsteller der Firma Fruit Tec, seine Sichtweise vorzustellen: „Herr Betz ist auf uns zugekommen, da finde ich, es ist der richtige Weg, wenn er zu den Fragen Stellung nimmt.“ Der Unternehmer sagte, er erkenne die Brisanz des Themas, doch das Grundstück und das Gebäude seien komplett ausgenutzt. ....

Ralf Gagliardi (GoL) wandte sich an Betz: „Wie stehen Sie zu der Idee, sich an gemeinschaftlichem Parken zu beteiligen?“ Er brachte eine Parkhaus für das Gewerbegebiet ins Spiel. .... Das Gremium stimmte dem Verkauf von 250 Quadratmetern an die Firma Fruit Tec mit einer Enthaltung zu.

Direkt im Anschluss beriet der Gemeinderat über eine weitere Bewerbung auf einen Bauplatz mit einer Größe von ungefähr 2430 Quadratmetern. Die Firma Stefan Walz aus Neufrach habe ihren Schwerpunkt im Bereich Heizung, Klima, Sanitär sowie Gastronomie- und Großküchentechnik, erläuterte von Holten. „Neben einer Halle mit einer Grundfläche von etwa 800 Quadratmetern ist ein Anbau für Ausstellung, Büro- und Aufenthaltsräume mit etwa 200 Quadratmetern geplant.“ Dazu sei eine Betriebsleiterwohnung vorgesehen. Der Betrieb wolle sich von drei Mitarbeitern auf sechs bis zehn erweitern.

Henriette Fiedler (FWV) wunderte sich über die beantragte Grundstücksgröße: „Da fehlt uns ein Zwischenschritt“, offenbarte sie und verwies auf mehrstöckiges Bauen. Martin Möller (GoL) stellte in den Raum, dass es in Neufrach schon andere, eingesessene Firmen mit festem Kundenstamm gebe: „Da erscheint mir die Vorstellung, in kurzer Zeit zehn neue Mitarbeiter zu haben, sehr mutig.“ Gegen eine mögliche Steuerung sprach sich Petra Herter (CDU) aus: „Wir haben noch nie irgendwo gesagt, dass wir schon vier oder fünf Unternehmen haben“, brach sie eine Lanze für den Antragsteller.

Firma rechtfertigt Platzbedarf

Der Eigentümer wurde von Härle ebenfalls zur Stellungnahme aufgefordert. „Ich bin 37 Jahre alt, habe meinen Betrieb im achten Jahr, er wächst und wächst und ich hätte Arbeit für mehr als zehn Leute“, stellte sich Stefan Walz vor. Da er Heizungen repariere und Großküchengeräte verkaufe, brauche er Arbeits- und Lagerfläche. „Ich habe hier angefangen, bin hier groß geworden und will in Salem weitermachen.“ Petra Karg (GoL) sah die Frage nach der Grundstücksgröße dennoch als berechtigt an: „Es gibt sicher jemanden, der froh wäre über ein Stück davon.“

Der Bürgermeister war anderer Ansicht: Es sei sicher keine kommunalpolitische Aufgabe, Vorgaben zu machen, wie groß ein Unternehmer sein dürfe. Ulrike Lenski (GoL) lenkte den Blick auf die gesamte Situation: Die Sichtweise der Antragsteller sei interessant gewesen, doch ein Gemeinderat dürfe nicht nur die Mütze des Unternehmers aufhaben. „Die Frage muss legitim sein, ob es so groß sein muss, sonst müssten wir alles nur noch durchwinken.“ Der Ansatz, an eine gemeinsame Parkmöglichkeit zu denken, sei nicht nur Zukunftsmusik, wie Projekte in anderen Gemeinden zeigten.

..Prinz Leopold von Baden (FWV) räumte ein: „Es ist klar, dass man nicht vorschreiben kann, wie ein Unternehmen wächst.“ Die Gewerbetreibenden müssten jedoch sehen, dass ein Umdenken stattfinde und dass es immer zwei Möglichkeiten der Bebauung gebe: „Ich gehe nach oben, nach unten, aber nicht zur Seite.“ Ralf Gagliardi (GoL) äußerte sein Verständnis für Unternehmer, betonte aber, dass den Antragstellern Bedingungen klargemacht werden müssten. Da die Verwaltung der Ansicht sei, keinen Flächenmanager zu benötigen, müssten jedes Mal Kombinationsmöglichkeiten geprüft werden.

Bürgermeister schließt Aussprache

Petra Herter richtete sich an die Grünen-Fraktion: „Was möchtet ihr den Unternehmern auf den Weg geben?“ Eine Antwort musste jedoch ausbleiben, da der Bürgermeister das Wort ergriff und betonte, dass zurückliegende Entscheidungen klare Mehrheiten ergeben hätten: „Ich finde, dass wir eine sehr gute gewerbliche Entwicklung auf den Weg gebracht haben.“ Mit diesen Worten schloss Härle die Aussprache, obwohl Ulrike Lenski noch zu Wort kommen wollte. „Der Vorsitzende hat die Möglichkeit, vor der Abstimmung noch eine Stellungnahme anzubringen“, rechtfertigte Härle sein Vorgehen. Bei sieben Enthaltungen wurde der Antrag positiv beschieden.

Klare Spielregeln?

Mit den Wortmeldungen der Gewerbetreibenden sei eine Tür geöffnet worden, sagte Petra Herter (CDU) nach den Vergaben der Grundstücke im Gemeinderat. „Ich war überrascht über Ihre Vorgehensweise“, wandte sie sich an Bürgermeister Manfred Härle. Zuhörern sei in der Vergangenheit das Wort stets untersagt worden. „Da müssen wir uns überlegen, wie das weitergeht“, befand die CDU-Fraktionssprecherin. „Ab und zu bin ich für Überraschungen gut“, entgegnete der Bürgermeister und verwies auf klare Spielregeln....

Ebenfalls um Spielregeln ging es, als Ulrike Lenski (GoL) nach den Grundstücksvergaben noch einmal das Wort ergreifen wollte: „Natürlich wollte ich nicht an Herrn Walz ein Exempel statuieren“, begann sie, doch Härle unterbrach sie: „Es gibt klare Spielregeln, die werden eingehalten“, sagte er mit Verweis darauf, dass das Thema abgeschlossen sei.


Stellungnahme von Gemeinderätin Ulrike Lenski

In einer Stellungnahme an den SÜDKURIER im Nachgang zur Sitzung schrieb Gemeinderätin Ulrike Lenski (GoL/siehe Bild) zum Vorwurf, sie rede die Gewerbeentwicklung in Salem schlecht: „Da ich bisher relativ viel Zeit aufgewendet habe, mich mit Entwicklungsmöglichkeiten zum Gewerbe auseinanderzusetzen, und es mir nie um eine pauschale Ablehnung gegangen ist, ist nach meinem Dafürhalten dieses Urteil nicht gerechtfertigt.“

Sie habe bei der Abstimmung das schwache Instrument der Enthaltung gewählt, da sie in dieser Angelegenheit kaum eine andere Option sehe. „Unsere Fraktion vertritt die Ansicht, dass Flächensparen nicht dadurch erreicht werden kann, dass bei jeder einzelnen Vergabe der Rotstift angesetzt wird.“ Stattdessen befürworte sie ein konzeptionelles Vorgehen, indem beispielsweise Anfragen nach Grundstücken über einen Zeitraum gesammelt werden, Synergieeffekte durch gemeinsames Parken, gemeinsame Grünfläche und Zufahrten sowie Wand-an-Wand-Bebauung ausgenutzt werden. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen