Dienstag, 23. August 2022

Kleinere Wohnung statt größerem Eigenheim

 

Schwäbische Zeitung  hier  Von Claudia Kling   Berlin

In Deutschland wächst seit Jahren die durchschnittliche Wohnfläche pro Person - Bauministerin Geywitz hält das für ein Problem

Das Eigenheim. Danach sehnen sich viele Menschen, die es sich irgendwie leisten können. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Viel Platz, ein bisschen Grün drumherum, etwas Abstand zu den Nachbarn. Doch in der Politik baut sich eine Front gegen allzu großzügige Wohnformen auf, auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat darüber eine Debatte angestoßen. Dabei geht es ihr nicht (nur) um die Versiegelung von Böden, ihr geht es auch um den Energieverbrauch - und somit um die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Was hat Wohnfläche mit Klimaschutz zu tun?

Etwas vereinfacht formuliert ist es so: Mehr Wohnungen und größere Wohnflächen führen in Summe zu einem höheren Energieverbrauch, selbst wenn es inzwischen mehr energetisch sanierte Gebäude und energieeffiziente Neubauten gibt. Die Zahl der Wohnungen in Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt von 40,6 Millionen Wohnungen (2011) auf 42,8 Millionen (2020) gestiegen, das entspricht 5,3 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich der Flächenverbrauch pro Kopf von 46,1 auf 47,4 Quadratmeter (plus 2,8 Prozent). Dieser Trend habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass trotz höherer energetischer Standards im Bau unterm Strich mehr Energie verbraucht worden sei, so das Bundesbauministerium. Im 30-Jahres-Vergleich (1990 bis 2019) habe der Energieverbrauch der privaten Haushalte um 1,8 Prozent zugenommen - bei einem Anstieg der Wohnfläche um 36,9 Prozent.

Warum wird mehr Wohnfläche beansprucht?

Das hat verschiedene Ursachen. Einerseits waren die Wohnungen, die zuletzt gebaut wurden, im Schnitt größer als in den Jahren zuvor. Andererseits ist die Zahl der Ein-Personen-Haushalte in Deutschland weiter gestiegen. Und es gibt immer mehr ältere Menschen, die auch nach dem Auszug der Kinder in ihrem Eigenheim bleiben. Das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2018 folgende Zahlen ermittelt: Haushalte mit nur einer Person bewohnen im Schnitt 68 Quadratmeter. Eine Familie mit Kindern unter 18 Jahren kommt hingegen nur auf 32 Quadratmeter pro Person. Ist die Haupteinkommensperson in einem Haushalt älter als 65, steigt die Wohnfläche auf durchschnittlich 59 Quadratmeter pro Person.

Sind Einfamilienhäuser die Wurzel allen Übels?

Aus ökologischen und wohnungspolitischen Gründen wäre es tatsächlich sinnvoll, wenn (eher) weniger als mehr Einfamilienhäuser gebaut würden. Denn sie verbrauchen viel Fläche, schaffen aber im Verhältnis dazu wenig Wohnraum. Dazu kommt, dass in der Regel wegen der größeren Gebäudehülle mehr Energie gebraucht wird. Doch das Leben im Eigenheim ist beliebt: 28,71 Millionen Menschen in Deutschland wohnten 2022 laut Statista in ihrem eigenen Haus, nur die Gruppe der Mieter ist größer in Deutschland (36,9 Millionen). Wer wie der damalige Grünen-Fraktions- chef Anton Hofreiter oder Bauministerin Geywitz Zweifel an dieser Wohnform äußert, muss sich auf Gegenwind einstellen. „Ideologische Debatten über Wohnfläche und das Einfamilienhaus helfen kein bisschen, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen“, sagt Daniel Föst, wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Um die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor zu reduzieren, gäbe es wirksamere Mittel wie den Einsatz erneuerbarer Energien und klimafreundliche Baustoffe.

Weshalb ist die Frage, wie die Menschen in Deutschland wohnen, so in den Fokus gerückt?

Die politischen Krisen - die internationalen wie die hausgemachten - schlagen voll auf den Gebäudesektor durch. Der Krieg in der Ukraine hat den Druck, in Häusern und Wohnungen Energie zu sparen noch einmal erhöht. Aber auch ohne diesen Konflikt hätte etwas passieren müssen, wenn Deutschland klimaneutral werden will.

Rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen entstehen bislang durch den Betrieb von Gebäuden. Deshalb müsste die Sanierungsquote bei älteren Gebäuden deutlich erhöht werden. Zudem fehlt vor allem in den Ballungsräumen bezahlbarer Wohnraum. 400 000 neue Wohnungen hatte die Bundesregierung als jährliches Ziel ausgegeben. Davon ist sie allerdings weit entfernt, vor allem wegen der steigenden Kosten im Bau, der höheren Zinsen und des Fachkräftemangels. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2022 laut Angaben des Statistischen Bundesamtes um 2,1 Prozent zurück.

Was ist eigentlich mit gewerblich genutzten Gebäuden?

Nur etwa 40 Prozent der Treibhausgase im Gebäudesektor lassen sich auf gewerbliche oder industriell genutzte Räume zurückführen, wie Zahlen des Umweltbundesamtes belegen. Heizungen und Warmwasser in Wohngebäuden waren im Jahr 2019 die Ursache für rund 89,1 Millionen Tonnen CO2-Emissionen - die CO2-Emissionen aus Fernwärme und Strom nicht berücksichtigt. In Nichtwohngebäuden (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen sowie Industrie) entstanden dagegen rund 34,8 Millionen Tonnen. Im Zehn-Jahres-Vergleich sind die Treibhausgas-Emissionen zwar in allen Bereichen zurückgegangen, doch der Vergleich zeigt, warum die Politik so darauf dringt, Wohnen energieeffizienter zu machen.

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