Montag, 16. Oktober 2023

Kein Cent mehr von den Kommunen? Finanzierung der Bodenseegürtelbahn hängt an Bund, Land und Bahn

Auf Bürgermeisterebene wurde also beschlossen - die Gemeinderäte bekommen das im besten Fall noch mitgeteilt.

Vielleicht sollte man sich mal vor Augen halten, welche Anteile am Straßenbau die Bürgermeister freiwillig zu übernehmen bereit sind?

Und wo liegt das Interesse des Regionalverbandes? 


Ein Leserbrief vom 8. November: "Bahnausbau statt Südumfahrung" zeigt wo das Interesse der Bürgermeister wirklich liegt

Leserbrief zum Artikel „Kundgebung für Südumfahrung“, SÜDKURIER am 8. November:

Vor wenigen Wochen bezeichnete der ehemalige Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke die Südumfahrung Markdorfs als „Torso“, also als Stückwerk. Und tatsächlich sind alle anderen Planungen für die Kette von Ortsumfahrungen gestrichen oder auf Eis gelegt worden, die zusammen ursprünglich eine Art „Hinterlandtrasse“ bilden sollten. Der Bermatinger Bürgermeister Martin Rupp, der Salemer Bürgermeister Manfred Härle und Landrat Lothar Wölfle träumen noch immer von diesen Ortsumfahrungen. Im Faltblatt der Markdorfer Umgehungsbefürworter fordert Härle die Südumfahrung, mit Hinweis auf den drohenden Verkehrsinfarkt im Salemer Tal, wohl in der Hoffnung, die Planung der Ortsumfahrungen Bermatingen und Neufrach wieder aufzunehmen. Dass ausgerechnet in Zeiten der Klimakrise solche Ideen aus der Klamottenkiste vorgeholt werden, ist schwer verständlich. Vermutlich geht es den drei Politikern vor allem um den geplanten Neufracher Schwerpunkt für Industrie und Gewerbe mit einer Fläche von 27 Hektar. Und die Markdorfer sollen jetzt bitteschön die Erschließungsstraße dafür mit bezahlen. Aber wer Straßen baut, wird noch mehr umweltschädlichen Kfz-Verkehr ernten. Direkt parallel zu der ursprünglichen „Hinterlandtrasse“ aus Ortsumgehungen verläuft die Bodenseegürtelbahn. Auf dieser immer noch eingleisigen Bahnstrecke ist der Verkehrsinfarkt schon längst eingetreten, weil man sich nicht rechtzeitig und nur halbherzig um den Ausbau, die Elektrifizierung und die technische Modernisierung gekümmert hat. Wäre das nicht die bessere Alternative?

Friedrich Vogel, Salem 


Südkurier hier 09. Oktober 2023, MONA LIPPISCH

Noch immer gibt es keine Einigung im Hinblick auf die weitere Finanzierung der Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn. Die betroffenen Kommunen sagen jedoch deutlich: Sie möchten das Projekt nicht mehr finanzieren.

Die Planungsphasen eins und zwei der Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn sind abgeschlossen. Als nächster Schritt steht die Finanzierung der Phasen drei und vier auf der Agenda – und die ist umstritten. Die Kommunen wollen keine Gelder mehr bereitstellen, das Land jedoch fordert die Beteiligung der kommunalen Seite deutlich ein. 

Zumindest auf dem Papier nehmen die Pläne für die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn konkrete Formen an. Erste Maßnahmen stehen bereits fest, etwa für die Stadt Überlingen. Bisweilen scheitert es jedoch an der Finanzierung der nächsten Leistungsphasen drei und vier. Denn: Bund, Land und Deutsche Bahn AG sind sich bisher noch nicht einig geworden.

Hinzu kommt der Fakt, dass sich die Kommunen im Bodenseekreis dafür entschieden haben, sich finanziell zunächst nicht mehr zu beteiligen. Das bestätigen die betroffenen Städte und Gemeinden auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Wir haben auf Bürgermeisterebene abgestimmt, dass wir keine weitere Finanzierung seitens der Kommunen sehen“, sagte Jan Zeitler, Oberbürgermeister von Überlingen, jüngst gegenüber dem Gemeinderat.

Überlingen habe in der Vergangenheit bereits Gelder in Höhe von etwa 170.000 Euro für die Elektrifizierung bereitgestellt. Jetzt sehe Zeitler den Bund, das Land und die Deutsche Bahn AG am Zug. Dem stimmt Andreas Brand, Oberbürgermeister von Friedrichshafen, zu: „Es steht zunächst das Land in der Pflicht, im Rahmen der föderalen Aufgabenverteilung seiner Aufgabe nachzukommen und einen zeitgemäßen Öffentlichen Personennahverkehr am Bodensee sicherzustellen.“

Die Zeppelinstadt Friedrichshafen hat in den Leistungsphasen eins und zwei bereits circa 419.000 Euro zur Mitfinanzierung der Planungskosten aufgewendet. Aus Sicht von Brand sei nun das Verkehrsministerium an der Reihe, eine Finanzierung aufzuzeigen, um die Fortsetzung des Projektes zu ermöglichen. „Die Gemeinden und Städte wären mit der bislang vorgesehenen Finanzierung überfordert und können diese über die Landkreise nicht finanzieren“, sagt Brand, betont aber auch: „Von einem kompletten Rückzug war nie die Rede.“

Land verweist auf klare Regeln zur Finanzierung des Projekts

Die Kommunen halten sich fürs Erste also zurück. Doch was bedeutet das für das Land Baden-Württemberg? Aus dem Verkehrsministerium heißt es deutlich: Eine Beteiligung der kommunalen Seite wird weiterhin erwartet. Laut Pressesprecher Edgar Neumann gebe es klare Regeln zur Finanzierung von Projekten des Bundesförderprogramms nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Demnach hat die kommunale Seite die Finanzierung „der nicht von Bund und Land getragenen Gesamtkosten des Projektes“ zu tragen.

Dem Verkehrsministerium sei bewusst, dass die Klärung der weiteren Finanzierung ein Kraftakt ist. „Wir sind seit längerem mit der kommunalen Seite, insbesondere den Landkreisen, in einem Austausch, wie die Finanzierung sichergestellt werden kann“, erklärt Neumann. Das gelte in erster Linie für die nächsten Planungsphasen drei und vier, aber auch für das Projekt insgesamt.

Die Gespräche, so Neumann, werden noch Zeit in Anspruch nehmen. Zudem bestehe auch noch weiterer Abstimmungsbedarf mit der DB. Das bestätigte ein Vertreter der Deutsche Bahn AG jüngst im Überlinger Gemeinderat. „Wir müssen die Gespräche mit dem Landkreis und dem Ministerium abwarten“, hieß es.

Landkreis möchte Finanzierungsbescheid des Landes abwarten

Der Landkreis Bodenseekreis ist ebenfalls Mitglied im Interessenverband Bodenseegürtelbahn und hat in den vergangenen Jahren bereits 3,87 Millionen Euro für das Projekt aufgewendet. Wie Landratsamt-Sprecher Robert Schwarz erklärt, komme man an einer weiteren finanziellen kommunalen Beteiligung im Hinblick auf das Bahnprojekt nicht vorbei.

Mit konkreten Zahlen sei aus Sicht des Landkreises jedoch erst Anfang 2024 zu rechnen. „Erst, wenn der Finanzierungsbescheid des Landes und folglich der erforderliche Beitrag der kommunalen Seite feststeht, ist es sinnvoll, innerhalb der kommunalen Familie darüber zu sprechen, wie diese Kosten getragen werden“, sagt Schwarz.

Das sagen die anderen betroffenen Kommunen

Salem: Bürgermeister Manfred Härle bekräftigt, dass seine Gemeinde bereits einen finanziellen Beitrag in Höhe von 80.000 Euro für die Elektrifizierung beigesteuert habe. Aus seiner Sicht handele es sich bei dem Projekt um keine kommunale Aufgabe, sondern „ausschließlich und allein“ um eine Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs – für den das Land Baden-Württemberg zuständig und verantwortlich ist. Härle sagt deutlich: „Bei den aktuellen Signalen aus dem Verkehrsministerium habe ich erhebliche Vorbehalte und Bedenken bezüglich der Umsetzung der Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn.“

Uhldingen-Mühlhofen: Wie Bürgermeister Dominik Männle betont, sieht er die Pflicht zur weiteren Finanzierung des Ausbaus der Bodenseegürtelbahn bei den Aufgabenträgern, also Bund, Land und Deutsche Bahn AG. „Wir sind lediglich über den Interessenverband Bodenseegürtelbahn mit den Planungsleistungen der Phasen eins und zwei in Vorleistung gegangen“, erklärt Männle. Etwa 60.000 Euro habe die Gemeinde dafür aufgewendet.

Sipplingen: Auch hier möchte man sich künftig aus der Finanzierung heraushalten. „Es ist keine Aufgabe der Gemeinde“, sagt Bürgermeister Oliver Gortat. Etwa 15.200 Euro habe Sipplingen bereits aufgewendet.

Markdorf: Wie Bürgermeister Georg Riedmann erklärt, gebe es keine „Vereinbarung über eine kommunale Beteiligung an den weiteren Ausbauschritten“. Die Stadt Markdorf gehe davon aus, dass nur diejenigen in die Pflicht genommen werden, die Gesetz dafür zuständig sind. Bisher hat Markdorf etwa 90.000 Euro für die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn aufgewendet.

Bermatingen: „Die Gemeinde Bermatingen sieht bei der Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn Bund und Land in der Pflicht“, betont Bürgermeister Martin Rupp. Bermatingen habe bereits 30.000 Euro aufgewendet. „Wenn es das Land ernst meint mit der propagierten Mobilitätswende, muss es jetzt auch seiner Verantwortung gerecht werden und gemäß dem eigenen Anspruch die Finanzierung für dieses zweifelsfrei wichtige Infrastrukturprojekt sicherstellen.“

 

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