Liebe Kirchengemeinde,
Wir sind heute zur gemeinsamen Gedenkfeier auf diesem Friedhof zusammen gekommen,
um den Volkstrauertag gemeinsam zu begehen.
Wir wollen uns in dieser, seit 100 Jahren gelebten Tradition,
an die 17 Millionen Menschen erinnern, die im 1. Weltkrieg ums Leben gekommen sind.
Und ebenso an die 65 Millionen Menschen die im 2. Weltkrieg getötet wurden.
Diese beiden furchtbaren Kriege sind der Grund,
weshalb wir jedes Jahr auf`s neue zusammenkommen
Dennoch waren sie schon fast im Grau der Vergangenheit verschwunden.
Es ist doch schon so lange her -
und die Zeitzeugen von damals, die uns davon berichten konnten,
die sind inzwischen weitgehend aus unserem Leben verschwunden.
Heute ist klar, dass Kriege immer noch zu unserem Leben gehören.
Wir können sie nicht mehr wegschieben, sie dominieren unser Zeitgeschehen,
sei es nun in der Ukraine oder im nahen Osten,
wo derzeit viel zu viele Menschen ihr Leben lassen müssen.
Wir alle haben schon erfahren wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren.
Wir haben schon Mühe, diese Lücke zu schließen, die das täglichen Leben bei uns hinterlässt.
Wie muss es sich da erst anfühlen, wenn ein geliebter Mensch
ein Opfer des Hasses wurde, ein Opfer des Krieges?
Wenn sein Tod beabsichtigt war, nur weil er "anders" war?
weil er im Konflikt auf der anderen Seite stand?
Was macht so ein gewaltsamer Tod mit den liebenden Überlebenden,
wie kann man nach dieser Erfahrung weiter leben?
jemals wieder in die Menschheit vertrauen?
Kriege sind die extremste Form von zwischenmenschlicher Bedrohung
Sie stehen am Ende des eskalierenden Konflikts zwischen unterschiedlichen Sichtweisen
Und doch ist es eine Milchmädchenrechnung:
Es gibt immer nur viele Verlierer auf beiden Seiten und ein paar wenige Geschäftemacher.
Auch bei uns brodelt es ziemlich heftig, mitten in unserer Gesellschaft.
Und das macht uns Angst, es erscheint wie ein frühes Warnzeichen.
Und doch können wir Hoffnung fassen:
Soziologen haben die vermeintliche "Spaltung der Gesellschaft"
genauer ins Auge genommen und sie haben - man kann nur staunen-
eine Gesellschaft gefunden, die sich weitgehend einig ist.
Eine deutliche Mehrheit räumt ein,
dass etwas gegen die zu großen Vermögensunterschiede im Land getan werden müsse
und dass Zuwanderung grundsätzlich zu steuern,
die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aber ethisch geboten sei.
Nur eine verschwindende Minderheit
stellt die rechtliche Gleichstellung queerer Menschen infrage
oder zweifelt daran, dass der Klimawandel die größte Bedrohung der Gegenwart ist.
Können wir also aufatmen und Hoffnung schöpfen für unser Land und unser Miteinander?
Die großen Stellschrauben scheinen zu funktionieren.
Problematisch wird es genau dann,
wenn Menschen Dinge als unfair erleben,
Verhaltensweisen als unmoralisch empfinden,
Kontrollverlust befürchten oder
zu Verhaltensänderungen gezwungen werden.
Mit den "Verhaltensänderungen" wird es richtig schwierig für uns ,
denn die Welt um uns wandelt sich
und das Ausmaß und die Schnelligkeit des Wandels überfordert uns .
Unsere Probleme heute sind komplexer und globaler als jemals zuvor,
Wir leben in Zeiten der Vielfach-Krisen.
Der ehemalige Bundespräsident Gauck hat die Bezeichnung "Krise" in seinem Buch definiert:
"Krise beschreibt eine gänzlich unbekannte Situation , in der viele Werte, Normen und Regeln ihre Gültigkeit verlieren und das Neue ist noch nicht geboren , an dem man wieder Halt und Orientierung findet. Ob sich ein guter neuer Zustand ergeben wird, hängt aber maßgeblich von unserem eigenen Verhalten ab."
ES hängt also maßgeblich von unserem eigenen Verhalten ab -
Es ist unsere Entscheidung, ob wir das unbekannte Neue bekämpfen oder mitgestalten wollen -
ob wir uns unter Inkaufnahme eigener Nachteile -
für die Chance auf eine lebenswerte Zukunft für uns, unsere Kinder und Enkel entscheiden
Wieso sollte Veränderung nur schlecht sein?
In unserem Veränderungs-willen sollte Hoffnung liegen,
neue Chancen sollten uns beflügeln -
und die Freude am Abenteuer - wir alle können zu Helden werden
Und wann haben Helden jemals nur an sich selbst gedacht?
Wir können über uns selbst hinaus wachsen um gemeinsam als Gesellschaft
diese lähmenden Krisen zu neuen Chancen werden zu lassen.
Selbstverständlich im Rahmen unserer gelebten Demokratie, die uns unsere Freiheit garantiert.
Lasst uns an diesem Volkstrauertag an das Wohl der kommenden Generationen denken -
so wie es unsere Vorfahren auch für uns getan haben.
Lasst uns gemeinsam unsere Herzen öffnen, um uns als Gesellschaft zu begreifen,
die nur miteinander gewinnen kann.
Die nur miteinander stark genug ist, unsere vielfältigen Krisen zu bewältigen.
Jeder von uns kann zum Helden werden, indem er Anteil hat
am Erhalt von Demokratie, Nachhaltigkeit und Frieden in unserer Gesellschaft.
Der zur Versöhnung und Verständigung beiträgt.
Nur dann hat die Gedenkfeier des Volkstrauertages ihr Ziel erreicht,
und wird nicht zum leeres Ritual verblassen.
ES geht in erster Linie um uns und um unseren gemeinsamen Weg als Gesellschaft,
en wir bereit sind miteinander zu gehen .
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